ASIATISCHE MINIATUREN
Laos
Laotische Wiege
Laotische Wiege auf einem Markt.
Die Mutter verdient nebenan den Unterhalt für die Familie.

Foto: Hans Grundmanns

Laos öffnet den Bambusvorhang, aber Rucksacktouristen sind unwillkommen

"Die Kambodschaner säen den Reis, die Vietnamesen ernten ihn, die Laoten schauen zu, wie er wächst", sagt man in den drei Staaten der ehemaligen französischen Kolonie Indochina. In diesem Namen schwingen die entscheidenden Gegensätze mit, die in dem Gebiet kontrapunktisch wie Yin und Yang schwingen: der indische: spirituell, spekulativ religiös, weltabgewandt, und der chinesische: materialistisch, erz-pragmatisch, diesseitig.

 Laos (Lawa), früher das "Königreich der Million Elefanten", später das "Land der Million Widersprüche", hat nach dreihundert Jahren häufiger Kriege gegen das Königreich Annam und später gegen China, Siam, Frankreich und die USA endlich Frieden gefunden. Es öffnet sich nur langsam und sehr zögernd dem Tourismus. Das Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, braucht die Devisen, möchte aber seine nationale Identität nicht durch Massentourismus gefährden. Eine Gratwanderung - ebenso wie der Balanceakt der kommunistischen Regierung zwischen Erhalt des Sozialismus (sprich: ihrer Macht) und marktwirtschaftlicher Freiheit, die sogenannte "sozialistische Marktwirtschaft".

 Der billige, individuelle "Rucksacktourismus" soll ferngehalten werden. Daher werden offiziell Visa nur erteilt, wenn ein Reisearrangement gebucht ist. Diese Anordnung wird allerdings heute nicht mehr so streng genommen. Für 60 € stempeln die Botschaften auch Einzelreisenden ohne Vorab-Buchung ein Visum innerhalb einer Stunde in den Pass. Beantragung ist natürlich auch auf dem Postwege möglich. Neuerdings kann man das Visum am Flughafen und an den Grenzstationen erhalten. Von diesem einfachen Wege werden Sie allerdings die Botschaften mit großer Überzeugungskraft abzuhalten versuchen.

 Angenehmes Tropenklima produziert eine reiche Vegetation auf Reisterrassen und am Flußlauf des Mekong, der "Mutter der Gewässer". Die reichlich vier Millionen Laoten aus fast siebzig unterschiedlichen Völkern und Stämmen sind höflich, zurückhaltend und liebenswürdig. Hier findet sich noch eine unverfälschte Gastfreundschaft, die in den Nachbarländern auf dem Altar des Kommerzes geopfert wurde.

 Denkmäler aus einer reichen Geschichte zieren die Hauptstadt Vientiane und noch mehr die alte Königstadt Luang Prabang. Diese ist das Symbol für Laos, das Brennglas seines Wesens. Tempel und Klöster, Museen wie der alte Königspalast mit reichen Kunstschätzen, zerklüftete Gebirge, malerische Flußläufe, tosende Wasserfälle und friedliche Reisterrassen bilden ein faszinierendes Kaleidoskop natürlicher und künstlerischer Schönheiten. Die Zeit scheint seit hundert Jahren stillzustehen. Einmal in seinem Leben kann man hier im Palast einer Prinzessin wohnen. Er ist in ein komfortables, aber sehr erschwingliches Hotelchen verwandelt worden. Besonders reizvoll ist eine vielfach angebotene Tagesfahrt mit einem Motorboot zu den Buddha-Höhlen von Pak-Ou. Erster Stop in einem der anliegenden typischen Schnapsbrenner-Dörfer. Ein sehr empfehlenswerter kleiner Abstecher führt flußaufwärts. Dort weitet sich die Flußmündung des Ou zu einer malerischen Lagune mit hoch aufragender Felswand, Sandbänken und einem Fischerdorf.

 Statt der schlechten und unsicheren Überlandstraße von der Hauptstadt nach Luang Prabang empfiehlt sich der Flug; für die Rückreise flußab und daher schneller eine Schiffahrt auf dem großen Fluß, dem Mekong. Auf einer der Fähren mit ein oder zwei Decks dauert sie zwei bis drei Tage je nach Schiffstyp, Beladung und vor allem jahreszeitlichem Wasserstand. In der Regenzeit legt ein Schiff die ganze Strecke zurück, in der Trockenzeit fährt man drei Stunden per Bus nach Parkone, dann per Schiff in 24 Stunden nach Paklay und schließlich in 22 Stunden nach Vientiane. Zuverlässige Auskunft erteilt in verständlichem Englisch das "Naviagation Office" am Flußufer von Luang Prabang. In einem unbequemen und lauten "Langschwanzboot" dauert die Tour zur Hauptstadt acht Stunden. Sie ist eher für lärmunempfindliche Masochisten geeignet. Seit ein paar tödlichen Unfällen müssen auf der Rennstrecke Helme getragen werden. Das Bild der rasenden schlanken Boote mit LKW-Motoren und 4 m langer Propellerwelle mit den eingezwängten, behelmten Marsmenschen darin scheint in dieser friedlichen Flußlandschaft wirklich aus einer anderen Welt zu stammen.

 Im Morgengrauen marschieren die gelb gekleideten buddhistischen Mönche schweigend im Gänsemarsch aus den Klöstern, vorbei an der langen Reihe der wartenden Hausfrauen, die ihnen die Bettelschalen mit Reis füllen. Kein Wort wird dabei gewechselt. Aber aus den Augen der Frauen leuchtet der Dank. Denn sie erwerben Verdienst, indem sie Mönche von der Last der niedrigen Daseinsvorsorge befreien und ihnen damit Konzentration auf Gebet und Meditation ermöglichen. Ihr dadurch verbessertes Karma wird ihnen nach dem Tod helfen, in eine höhere Existenz wiedergeboren zu werden.

 Im wilden Osten des Landes liegt die Ebene der Tonkrüge. 289 große Steingefäße von über zwei Metern Höhe und sechs Tonnen Gewicht geben zahlreiche Rätsel auf. Bis heute streiten sich die Archäologen, ob sie Vorratsgefäße für Wasser, Reis, Wein waren, Braukessel oder Grab-Urnen. Sind sie aus Fels gehauen, aus einer Mischung von Büffelhaut, Sand, Zuckerrohr, Wasser und weiteren rätselhaften Substanzen zementiert oder aus Sandstein (den es in dieser Gegend gar nicht gibt) geformt? Die wissenschaftliche Analyse steht noch aus.

Ein Land voller Wunder!

Klaus G. Müller, 2002