Pali

Die Tradition in Sri Lanka und den anderen Ländern des Thervâdabuddhismus geht dahin, daß Pali Mâgadhî ist, d.h. die Sprache der Gegend, in welcher der Buddhismus entstand, d.h. der Gegend des heutigen Patna. Dabei bedeutet pâli f. bei den Kommentatoren des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. "Text, normativer/heiliger Text". Pâli als Sprachbezeichnung ist also nur eine Abkürzung für pâlibhâsâ = "Sprache der heiligen Texte".

Dagegen, daß Pali eine Dialektform der Magadhi sei oder auf der Magadhi beruhe, gibt es gewichtige Bedenken, da Pali in wesentlichen Punkten von der Magadhi, wie wir sie aus einheimischen Grammatikern, Inschriften und Dramen kennen, abweicht.

Die wesentlichsten Unterschiede sind:
  • Magadhi hat überall, wo im Sanskrit r steht, l , Pali behält das r
  • Magadhi hat als Zischlaut nur 's, Pali nur s
  • der Nominativ singular der Maskulina und Neutra der a-Stämme lautet in Magadhi -e, in Pali -o bzw. -a

Westergaard und Kuhn sahen im Pali den Dialekt von Ujjayinî, dem heutigen Ujjain (Madhya Pradesh), weil Pali der Sprache der A'soka -Inschriften von Girnar (Gujarat)- am nächsten stehe und weil Mahinda (273-236 v. Chr., Sohn des A'soka), der den Buddhismus in Ceylon nach 250 v. verkündigte, als Muttersprache den Dialekt von Ujjayinî gehabt habe.

Oldenberg verlegte Pali aufgrund des Vergleiches mit einer Inschrift ins Kalinga-Land im heutigen Orissa. Er mißtraute der Tradition, daß Mahinda den Buddhismus nach Ceylon (Sri Lanka) gebracht habe, und meinte, daß der Buddhismus vom nahen südindischen Festland, von den Andhra oder Kalinga her nach Ceylon gebracht wurde.

R. O. Franke ging der Frage woher das Pali kommt in seinem Buch "Pali und Sanskrit in ihrem historischen und geographischen Verhältnis auf Grund der Inschriften und Münzen. - Strassburg, 1902" nach.

Darin sammelte er Materialien gleichsam zu einem Sprachatlas altindischer Dialekte. Franke kommt für das - wie er es nennt literarische Pali zu folgender Lokalisierung:

"südlich nicht allein von Mathurâ, sondern auch von Sañchi und Bharhut"

"d.h. das literarische Pali war ursprünglich heimisch auf einem nicht zu klein zu bemessenden Territorium etwa am mittleren bis westlichen Vindhya-Gebirge. Es ist sonach nicht unmöglich, aber selbstverständlich als reine Vermutung gemeint, daß die Stadt Ujjen, die augenscheinlich schon verhältnismässig früh ein Culturmittelpunkt gewesen ist, auch das Centrum des Dialectgebietes des literarischen Pali bildete. Und es könnten sich so innere Zusammenhänge mit den vom Mahâva.msa überlieferten Thatsachen ergeben, daß A'soka, unter dessen Regierung und Aegide ja der Import der buddhistischen Pali-Literatur nach Ceylon vor sich gegangen sein soll, vor seinem Regierungsantritt Gouverneur von Ujjen war ..., daß seine Gattin, Mutter des Mahinda, dieser Gegend ... entstammte, und daß Mahinda selbst, der die Pali-Literatur nach Ceylon brachte, in Ujjenî geboren war ... und seine Kinderjahre in Ujjen verlebt haben wird, da ja sogar z.Z. seines Abganges nach Ceylon seine Mutter noch in Cetiyagiri (Bei Sanchi) lebte, wo er sie zum Abschied noch einmal besuchte." [S. 138]

Auch Sten Konow entschied sich für die Gegend von Ujjayinî.

1905 referierte E. Windisch auf dem internationalen Orientalistenkongreß "Über den sprachlichen Charakter des Pali". Ihm war die Arbeit Frankes bekannt. Windisch geht davon aus, daß Pali kein eigentlicher Volksdialekt ist, sondern eine Literatursprache wie das Sanskrit. Damit löst sich für Windisch das Problem, daß Pali mit keinem der aus Inschriften usw. bekannten Dialekte voll übereinstimmt. Windisch schreibt:

"Jede Literatursprache ist aber mehr oder weniger eine Mischsprache. E. Kuhn hat nun ganz recht, wenn er sagt, auch einer solchen Literatursprache müsse ein bestimmter Dialekt zu Grunde liegen. Ich halte es für durchaus möglich, nach den historischen Verhältnissen sogar für sehr wahrscheinlich, daß dieser zu Grunde liegende Dialekt doch eben die Sprache der Magadha gewesen ist."

Dann zieht Windisch folgenden Vergleich mit der deutschen Sprachgeschichte:

"Die Heimat der neuhochdeutschen Schriftsprache ist Kursachsen, wo sie im 15. und 16. Jahrhundert angefangen hat sich zu bilden. Aber die besonderen phonetischen Eigenthümlichkeiten des sächsisch-meissnischen Dialektes findet man nicht in ihr. In einer Sprache, die über ihre natürlichen Grenzen hinaus in allgemeineren Gebrauch kommt, werden gerade die auffalendsten dialektischen Eigenthümlichkeiten phonetischer Art am ehesten zurückgedrängt."

Windisch verweist dann auf die Sprache der heiligen Schriften der Jainas, die Ardhmâgadhî "Halbmâgadhî", die wie Pali das r besitzt und in der in poetischen Stücken oft Sanskrit -as durch -o (nicht -e) ersetzt ist.

Wilhelm Geiger in seiner vorzüglichen Grammatik (1916) schließt sich Windisch an.

Einen weiteren wichtigen Markierungspunkt in der Diskussion um den Charakter des Pali bildet Heinrich Lüders "Beobachtungen über die Sprache des buddhistischen Urkanons". - aus dem Nachlaß herausgegeben von Ernst Waldschmidt. - Berlin, 1954.

Es handelt sich um ein Manuskript, das Lüders nie endgültig abgeschlossen hatte. Seine These hat Lüders schon 1927 den Mitgliedern der Berliner Akademie der Wissenschaften mitgeteilt:

"Dem Kanon der buddhistischen Schriften in Pali und Sanskrit liegt ein Urkanon zugrunde, der in einem östlichen Dialekt abgefaßt war. Dieser Dialekt stimmt im wesentlichen mit der Magadhi der A'soka-Inschriften überein, steht zum Teil aber schon auf einer weiteren Stufe der Entwicklung. ... Bei der Überstzung ins Pali und ins Sanskrit sind oft Fehler unterlaufen."

Lüders nimmt also an, daß Pali ein westlicher Dialekt ist. In seinem Manuskript versucht er, viele dunkle Stellen des Pali-Tipi*taka zu erhellen, indem er zu zeigen versucht, daß ein Übersetzungsfehler aus dem Urkanon vorliegt, bzw. daß eine mißverstandene Form der Magadhi stehen blieb (sog. Magadhismen).

Berger, H.: "Zwei Probleme der mittelindischen Lautlehre". - München, 1955, untersucht für einige Einzelprobleme die Bedingungen für den Erhalt von sog. Magadhismen.

Heute scheint sich im Westen die Auffassung, daß Pali ein westlicher Dialekt ist, durchgesetzt zu haben.Vielleicht ist das aber auch nur so - wie bei vielen Theorien - weil die Vertreter der anderen Auffassung aus welchen Gründen auch immer ausgestorben sind.

1980 erschien ein von Heinz Bechert herausgegebener Sammelband: "Zur Sprache der ältesten buddhistischen Uberlieferung". Darin findet sich eine lesenswerte Übersicht von H. Bechert zur damaligen Fragestellung.

Gegenwärtig beschäftigt sich vor allem Oskar von Hinüber mit der Frage nach dem sprachlichen Charakter des Pali. Nach ihm ist Pali eine Kunstsprache, die auf dem Weg von der Volkssprache zur Sanskritisierung (hybrides Sanskrit) ist.


Palitipitaka

Das Pâli-Tipi.taka ist die Sammlung der heiligen Schriften der Thervâdin "derer, die an der Lehre (vâda m. "Rede, Wort") der Alten (thera m. "Alter, älterer") festhalten". Theravâda ist eine Schule des alten Buddhismus, die beim zweiten Konzil von Vai'sâlî ca. 100 Jahre nach Buddhas Tod entstand, als sich der alte Buddhismus spaltete über einige Fragen der Ordensdisziplin (z.B.: Ist es erlaubt, Salz in einem Horn aufzubewahren?, nachmittags zu essen?, Gold und Silber zu benutzen?) sowie über die Lehrfragen, ob ein Arahant noch Versuchungen ausgesetzt sei und ob er allwissend sei. Bei der Spaltung entstanden die Mahâsa°ngika und die, die an der alten Lehre festhielten. Das Pali-Tipitaka gelangte nach der Missionierung Ceylons durch Mahinda (250 v. Chr.) nach Ceylon und wurde während der Regierungszeit Va*t*tagâma.nî Abhaya's (89-77 v. Chr.) im Felsenkloster Aluvihare (âlokavihâra), 3 km nördlich von Matale im Hochland von Ceylon schriftlich aufgezeichnet. Es scheint, daß noch bis ins 2. Jhdt. n. Chr. Texte aus Indien nach Ceylon gebracht wurden und dort in den Kanon eingefügt wurden.


Aussprache

Heutzutage wird Pali nach den Aussprachegewohnheiten der jeweiligen Landessprache ausgesprochen, am unverständlichsten wird es dadurch in Birma (Myanmar).

Gegenüber dem Sanskrit gibt es nur folgenden Ausspracheunterschied:

e und o können lang oder kurz sein: in geschloßener Silbe, vor Doppelkonsonant, sind sie kurz auszusprechen, sonst lang.

Der Lautbestand des Pali entspricht dem des Sanskrit. Außer dem genannten Unterschied bei e und o, gibt es noch folgende Unterschiede:

es fehlen: vokalisches *r und *l, ai, au, sowie die Zischlaute 's und *s (es gibt nur den dentalen Zischlaut s).


nach Alois Payer

Pali - Birma
Pali - Thailand
Pali - Kambodscha